Rebhuhnhegering Groß-Gerau und IG Offenlandarten

Extensivierung von Grünland

Da die Art auch weniger wüchsiges Grünland zur Nistplatzanlage nutzt, sollte die Extensivierung von Grünland im Umfeld von Rebhuhnlebensräumen in Betracht gezogen werden. Unabdingbar ist hierbei ein den Lebensbedingungen angepasstes Mahd- oder Beweidungsregime.

Anlage von Altgrasstreifen in Mähflächen

Die Anlage von Altgrasstreifen in Mähflächen hat mehrere Vorteile. In Altgrasstreifen können Insekten überwintern, welche den Rebhuhnküken in den ersten zwei Wochen nach dem Schlupf als überlebenswichtiges tierisches Eiweiß dienen. Vorteilhaft ist bei der Schaffung von Altgras im Grünland, dass hierbei in der Regel keine Insektizide genutzt werden und dass bei extensiv genutzten Grünland sich auch eine Vielzahl von bodengebundenen Insekten wie Arthropoden, Ameisen und Heuschrecken etablieren können, welche für die Küken auch als Nahrung zu erreichen sind. Bei extensiv und weniger wüchsigen Standorten können sie auch zur Anlage von Nistplätzen genutzt werden. Zusätzlich bieten Altgrasstreifen Deckungsmöglichkeiten für Rebhühner im Winter.

Bei der Anlage von Altgrasstreifen ist es wichtig zu wissen, welchen Zweck sie erfüllen sollen und welche negativen Auswirkungen sie auf Rebhühner haben können.

Wenn die Flächen zur Nistablage genutzt werden sollen, ist es wichtig, dass im Frühjahr eine entsprechende Höhe des Altgrases vorhanden ist, damit die Fläche von Rebhühner in der Paarbildung als Revier besetzt wird. Daher bietet es sich an bei Wiesen einen 10 bis 20 m breiten Streifen im Vorjahr nur einschürig zu nutzen. Bei einer frühen Mahd stellt sich dabei im Herbst bereits eine entsprechende Höhe ein, die einerseits als Deckung für das Rebhuhn dient oder auch als möglicher Nistplatz im Frühjahr wahrgenommen wird.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Altgrasstreifen in dem Jahr in dem er als Brutplatz genutzt wird, nicht zu früh gemäht wird. Bei Flächen, welche keiner landwirtschaftlichen Nutzung unterliegen, wie beispielsweise Streuobstwiesen, ist eine Mahd nach dem 15. August zu wählen. Vielfach werden kleinflächige Streuobstwiesen von ihrem Besitzer nur aus „optischen“ Gründen einer frühen Mahd bereits im Mai unterzogen. Eine Nutzung in Form einer Heumahd findet nicht auf allen Streuobstwiesen statt. Zu diesem Zeitpunkt sind in der Regel auch die Zweitgelege geschlüpft und die Erstgelege flügge. Zu beachten ist, dass der gesamte Schlag einer späten Nutzung unterliegt muss, da nicht sicher ist, dass die Rebhühner ihr Gelege innerhalb des Altgrases oder in den normal bewirtschafteten Wiesenteil anlegen. Sollten Altgrasstreifen über dem Winter als Deckung stehen bleiben und einer frühen Mahd unterliegen, ist die Gefahr die brütende Henne oder das Gelege auszumähen sehr hoch. Es entsteht somit eine Biotopfalle für das Rebhuhn.

Bei der Verfütterung des Heus an Rinder, wird im Gegensatz zu Pferden, eine frühe Mahd für eiweißreiches Grünfutter benötigt. Hier gäbe es die Möglichkeit die erste Mahd ab dem 15. Juli durchzuführen. Etwa 50 % der Rebhühner sind zu diesem Zeitpunkt geschlüpft und können mit einem Alter von 2 Wochen bereits kurze Strecken fliegend überwinden. Da die in Frage kommenden Flächen eine relativ geringe Größe im Untersuchungsgebiet ausweisen, sollte mit einer geringen Arbeitsgeschwindigkeit gefahren und zusätzlich ein Wildwarner in Form einer Schallkanone verwendet werden, um den Küken die Flucht zu ermöglichen. Eine Mahd von innen nach außen unterstützt diesen Effekt. Eine Henne auf dem Nest wird aufgrund der Brutstarre auch beim Einsatz eines Wildwarners kaum das Nest verlassen.

Alternativ bietet sich eine Mahd auch ab dem 15. August an, wenn das Mahdgut frisch an die Rinder verfüttert wird.

Soll der Altgrasstreifen als Deckungsstruktur im Winter genutzt werden, ist er vor dem Beginn der Eiablage im April zu mähen. Der Aufwuchs darf jedoch nicht gemulcht werden, da durch das Mulchen der Großteil der Insekten abgetötet wird.

Die Lage der Altgrastreifen sollte im Allgemeinen rotieren und nicht immer an denselben Flächen des Schlages errichtet werden. Es ist sinnvoll die Fläche in eine Rotation zu überführen um eine Eutrophierung entgegen zu wirken. Bei der Rotation ist darauf zu achten, dass immer ausreichend Ausweichmöglichkeiten als Brutplatz zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig sollte auch auf eine Düngung dieser extensiv genutzten Flächen verzichtet werden, da sie sonst als mögliche Nistmöglichkeit verloren gehen.

Bei der Beachtung von Mahdzeitpunkten bei extensiv bewirtschafteten Flächen stellen die Altgrassteifen eine gute Möglichkeit dar Rebhühnern ein geeignetes Habitat für die Brut und für die Kükenaufzucht bereitzustellen. Darüber hinaus besteht ebenfalls die Möglichkeit mit Altgrasstreifen Deckungsmöglichkeiten und Überwinterungsmöglichkeiten von Insekten zu schaffen. Die Nahrungsverfügbarkeit ist abhängig von der Artausstattung des Grünlandes, ist aber eher mit mittel zu bewerten. Da die Rebhühner sich bei der Anlage eines Brutplatzes an der vorjährigen Vegetationsstruktur orientieren, werden diese Altgrasstreifen gerne vom Rebhuhn angenommen.

Ein wichtiger Schritt für die Etablierung von Brutflächen ist eine Sensibilisierung der Grundstückeigentümer, unabhängig davon ob das Grünland einer landwirtschaftlichen oder privaten Nutzung unterliegt, um Mahdverluste zu vermeiden.

Bewertung Extensivierung Grünland i.V.m. Altgras und Mahdzeitpunkt (HALM)

Brutdeckung Insektennahrung Winternahrung Winterdeckung
+ + o +

Eignung: ++ = sehr gut, + = gut, o = mittel, – nicht gegeben

Anlage von Altgrasstreifen in Weiden

Rebhühner kamen im Untersuchungsgebiet im Bereich von Weiden vor und hatten in diesem Umfeld auch Reproduktionserfolge. Daher ist auch die Anlage von Altgrasstreifen im Weideland eine Möglichkeit um geeignete Bruthabitate für Rebhühner zu schaffen.

Dazu sollten innerhalb der Weide min. 10 bis 20 m breite Weidebereiche an den Randbereichen ausgekoppelt werden.

Die Auskopplung hat schon im Spätsommer zu erfolgen, damit im Frühjahr eine geeignete Deckung vorhanden ist an denen sich die Rebhühner auch für die Anlage ihres Geleges orientieren können.

Die Fläche kann dann Mitte Juli zur Beweidung freigegeben werden. Aufgrund der Beweidung ist das Töten von Küken eher ausgeschlossen. Um Zweitgelege vor Trittschäden zu schützen, kann in Absprache mit dem Bewirtschafter auch eine Beweidung ab dem 15. August erfolgen.

Die Altgrasstreifen sollten dann in einer jährlichen Rotation überführt werden, um langfristig in allen Bereichen der Weiden eine artenreiche floristische Ausstattung zu erhalten. Die Bewertung der Fläche ist mit der Bewertung auf einer Mähwiese zu vergleichen.

Bewertung Weidenutzung i.V.m. Altgras und Mahdzeitpunkten (HALM)

Brutdeckung Insektennahrung Winternahrung Winterdeckung
+ + o +

Eignung: ++ = sehr gut, + = gut, o = mittel, – nicht gegeben

Altgrasstreifen im HALM

Die Förderung von Altgrasstreifen kann im HALM mit der Grünlandextensivierung beantragt werden. Hierbei verpflichtet sich der Betriebsinhaber auf Dünge-und Pflanzenschutzmittel zu verzichten und die Fläche mindestens einmal durch Beweidung oder Mahd im Zeitraum vom 1. Mai bis 30. September zu beweiden oder eine Mahd mit Mahdgutabfuhr durchzuführen. Die Höhe der jährlichen Zuwendung beträgt 190 € je ha Dauergrünland.

Für den Mahdzeitpunkt und der Anlage von Altgrasstreifen sind Naturschutzfachliche Sonderleistungen zu beantragen.

Für die frühste Nutzung könnte bei der Mahd für landwirtschaftlich genutzte Flächen der 15. Juli gewählt werden. Der spätere Nutzungstermin wird mit 90 € / ha vergütet. Dies wäre auch für die Beweidung von Altgrasstreifen als potentielles Bruthabitat eine anzustrebende Möglichkeit.

Aus naturschutzfachlicher Sicht wäre es besser eine Nutzung ab dem 15. August mit einer Vergütung von 150 € / ha zu vereinbaren.

Die Terminvorgabe wird dann mit dem Altgrasstreifenmodul kombiniert. Hierbei wird min. 5% der Fläche (bis maximal 25%) des Schlages zwischen dem 1. April und dem 31. März nicht genutzt. Es erfolgt dann ein jährlicher Wechsel des Altgrasstreifens. Der Altgrasstreifen wird in dieser Form mit 90 € pro ha gefördert.

Zielkonflikte mit weiteren wertgebenden Arten

Durch die Vorgabe von Mahdzeitpunkten kann es auch zu Konflikten mit andere wertgebenden Arten kommen. Da einige Arten einen sehr frühen Schnitt bzw. einen sehr späten Schnitt für die Reproduktion benötigen.

Daher wird geprüft ob ein Zielkonflikt durch die Mahdzeitpunkte mit folgenden Arten bestehen kann:

Kiebitz

Der Kiebitz bevorzugt als Brutplatz flache, weiterhin offene, baumarme und wenig strukturierte Flächen mit fehlender oder kurzer Vegetation bzw. geringer Dichte höherer Einzelpflanzen. Er kommt nicht nur auf Mähwiesen und Viehweiden, sondern auch auf Ackerflächen vor. Insbesondere die Ackerflächen stellen im Landkreis Groß-Gerau die Hauptbrutplätze der Art dar. Laut Artenhilfskonzept gab es im Jahr 2010 min. 71 bis 78 Bruten im hessischen Ried. Davon fanden ca. 40 Bruten im Untersuchungsgebiet oder unmittelbar angrenzend statt (Stübing und Bauschmann 2011).

Da der Kiebitz kurzrasiges Grünland als Brutplatz bevorzugt, sollte auf bekannten Brutplätzen keine Altgrasstreifen für das Rebhuhn angelegt werden. Da es sich aber meist um feuchtes oder wechselfeuchtes Grünland handelt und dieses kaum vom Rebhuhn genutzt wird, besteht hier kein Zielkonflikt mit dem Kiebitz. Darüber hinaus finden die meisten Bruten des Kiebitzes auch auf Ackerflächen im Untersuchungsgebiet statt.

 Großer Brachvogel

Der Brachvogel nutzt als Brutplatz gut überschaubares, ebenes und sehr feuchtes bis trockenes Gelände. Nahrungsplätze stellen feuchte bis nasse Flächen mit fehlender, offener oder kurzrasiger Vegetation dar. 1954 bis 1979 gab es noch 15 Brutpaare in Wächterstadt, Geinsheim, Wallerstädten und Leeheim. Der letzte dokumentierte Brutversuch fand im Bereich Geinsheim-Wächterstadt im Jahr 2004 statt (Bauschmann et al. 2011b). Das Gebiet befindet sich unmittelbar südlich an das Untersuchungsgebiet. Ein weiteres Vorkommen befand sich bei Wallerstädten / Dornheim in den Teichwiesen, knapp außerhalb des Untersuchungsgebiets. Da aktuell kein Brutvogelvorkommen im Untersuchungsgebiet bekannt ist und eine Ansiedlung nicht zu erwarten ist und ein Rebhuhnvorkommen in diesen Bereichen ebenfalls unwahrscheinlich ist, sind Zielkonflikte auszuschließen.