Rebhuhnhegering Groß-Gerau und IG Offenlandarten

Rückgangsursachen lokal

Es stellt sich die Frage ob zusätzlich zu den nationalen Rückgangsursachen noch weitere kleinräumige Faktoren im Untersuchungsgebiet zu einem Rückgang der Rebhuhnpopulation geführt haben.

Bewässerung

Im Untersuchungsgebiet findet eine intensive landwirtschaftliche Nutzung statt. Aufgrund des geringen Grundwasserflurabstandes und der vorliegenden Böden ist eine Bewässerung der landwirtschaftlichen Kulturen möglich. Es werden neben Gemüseflächen auch weitere Kulturen wie unter anderem Mais, Getreide, Kartoffeln, Sojabohnen bewässert. Bei der Bewässerung werden nicht nur die eigentlichen Kulturen beregnet, sondern auch angrenzenden Habitate wie Hecken, Säume, etc.. Hierbei kommt es somit nicht nur zur gewollten Beregnung von landwirtschaftlichen Kulturen, sondern auch zur Vernässung von potentiellen Rebhuhnnistplätzen. Fraglich ist es, wie sich eine solche Bewässerung von Nisthabitaten in landwirtschaftlichen Kulturen bzw. randlichen Strukturen auswirkt.

Die Beregnung findet insbesondere in den Sommermonaten während der Brutzeit mittels mobiler Bewässerungsanlagen statt. Das durchschnittliche Wasserdefizit liegt bei einem vergleichbaren Niederschlag in einer Region in Brandenburg im Zeitraum von April bis September bei 120 bis 140 mm pro Jahr (MLUV 2005).

Bei einer Untersuchung von Starkniederschlagsereignissen in Frankreich und deren Auswirkung auf Rebhuhngelege konnte kein signifikanter Zusammenhang belegt werden. Auch bei einer Niederschlagsmenge von 64,7 mm in 6 Stunden konnten die Auswirkungen nicht zweifelsfrei auf das Regenereignis zurückgeführt werden. Während diese Starkregenereignisses sind genauso viele Gelege geschlüpft wie verloren gegangen (Bro et al. 2014).

Da im Rahmen einer Bewässerung eine Menge von bis zu 140 mm innerhalb von 5 Monaten ausgebracht wird, ist die Beeinträchtigung von Rebhuhngelegen eher auszuschließen. Der Einfluss der Regenereignisse und der niedrigen Lufttemperatur hat in vielen Fällen großräumige Auswirkungen auf die Insektenaktivität wie eine Beregnung. Aufgrund der geringen Aktivität der Insekten können Rebhuhnküken nicht den benötigten hohen Anteil von tierischem Eiweiß innerhalb der ersten 2 bis 3 Lebenswochen aufnehmen und verhungern dann. Diese großflächigen Wetterereignisse sind aber nicht mit kleinräumigen und kurzzeitigen Bewässerungsaktivitäten auf einzelnen Schlägen zu vergleichen. Es sollte dennoch vermieden werden Nisthabitate von hoher Qualität, wie Blühstreifen, zu beregnen.

Gehölze

Im Untersuchungsgebiet befinden sich zahlreiche Gehölze entlang von bestehenden oder ehemaligen Entwässerungsgräben sowie Straßenbegleitgrün. Die Auen südlich von Trebur wurden auch als Auwald aufgeforstet. Auch die damaligen Streuobstbereiche westlich von Wallerstädten sind durch eine Aufforstung verloren gegangen.

Vergleicht man das heutige Biotop mit Luftbildserien aus 1933 bis 1936 waren viele dieser Strukturen noch gehölzfrei und konnten von Rebhühnern als Lebensraum genutzt werden oder sie wurden einer regelmäßigen Pflege unterzogen. Zusätzlich durch den direkten Flächenverlust geht auch mit der Bestockung von Großgehölzen ein indirekter Lebensraumverlust durch den Meidungseffekt von Rebhühnern einher. Durch die Bestockung mit Gehölzen wurden einerseits Nistplätze für Fressfeinde wie Rabenvögel und Greifvögel und anderseits auch Einstände für Haarwildprädatoren wie Fuchs und Marder geschaffen. Aufgrund des Prädationsrisikos werden diese Strukturen von den Rebhühnern als typische Offenlandart gemieden.

Ähnlich verhält es sich mit der Zunahme von Schilfbeständen in den Auen der Bäche, welche neben Haarraubwild auch noch Wildschweinen Deckungsmöglichkeiten bieten.

Flächenverlust

Wie in fast allen Bereichen des Rhein-Main-Gebiets kam es zu hohen Flächen- und Zerschneidungsverlusten durch den Siedlungs-, Gewerbe- und den Infrastrukturbau. Es trat bereichsweise auch eine starke Zersiedlung durch zahlreiche Aussiedlerhöfe auf.

Auch der Abbau von Kies und die anschließende Freizeitnutzung haben eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Flächen in Anspruch genommen.

Insgesamt ist der potentielle Lebensraum von Rebhühnern im Untersuchungsgebiet durch verschiedene Flächeninanspruchnahmen stark zurückgegangen.

Erntetermine

Durch die Klimaerwärmung von über 2°C im Untersuchungsgebiet innerhalb von 100 Jahren hat sich auch der Zeitpunkt der Getreideernte und anderer Abbaufrüchte nach vorne verschoben. Die Getreideernte begann 2017 bei der Wintergerste um den 20. Juni und bei Winterweizen ca. 3 bis 4 Wochen später und verzögerte sich durch beginnende Regenfälle. Ohne die anhaltenden Regenfälle wäre die Getreideernte innerhalb weniger Tage abgeschlossen gewesen.

Auch wenn nicht sicher ist, ob die Rebhühner das Wintergetreide im Untersuchungsgebiet als hauptsächlich als Brutplatz nutzen, befand sich die Getreideernte im Jahr 2017 in der Hauptbrut- bzw. Schlupfzeit, wodurch Verluste nicht auszuschließen sind.

Prädation

Den größten Einfluss auf Rebhühner dürfte das Haarraubwild aufgrund seiner hohen Dichte besitzen und hier insbesondere der Rotfuchs, der flächendeckend im Gebiet mit teilweise hoher Geheckbaudichte vorkommt. Die Geheckbaudichte liegt überschlägig im Untersuchungsgebiet bei 0,5 bis 1 Gehecken / 100 ha. Die Dichte ist 10fach so hoch wie beim Ausbruch der Tollwut.

Die anderen Haarraubwildarten mit einer geringen Dichte spielen im Vergleich eher eine untergeordnete Rolle, dies kann sich aber durch die zu erwartende Zunahme von den beiden Neozoen Waschbär und Marderhund kurzfristig ändern. Beide Arten besitzen ein großes Reproduktionsvermögen. Das Untersuchungsgebiet mit seinen Schilfbeständen, Aufforstungen und Gehölzbeständen sowie der zahlreichen landwirtschaftlichen Lagerhallen bietet gute Lebensräume für die Arten, speziell für den Waschbären.

Inwieweit das Hermelin und Mauswiesel Anteil an der Prädation hat, ist schwer abzuschätzen, da über ihre Bestandsdichten keine Informationen vorliegen. In reichstrukturierteren Bereichen ist das Hermlin im Untersuchungsgebiet anzutreffen, wie eigene regelmäßige Beobachtungen dies zeigen. Aufgrund ihrer heimlichen Lebensweise und der geringen Größe ist eine Abschätzung der Populationsgröße für das gesamte Untersuchungsgebiet und der damit einhergehende Prädationseinfluss kaum möglich. Beim Mauswiesel ist der Einfluss im Vergleich zum Hermelin eher als gering einzuschätzen, da es aufgrund seiner Größe nur in der Lage sein dürfte die Eier oder sehr junge Küken zu erbeuten.

Bei den Greifvögeln ist in Folge ihrer teilweisen geringen Dichte fraglich inwieweit sie eine spürbare Auswirkung auf die Rebhuhnbesätze haben. Manche Arten wie der Turmfalke oder die Elster sind durch ihre Größe nicht in der Lage ausgewachsenen Rebhühner zu schlagen, sondern nur die Gelege zu plündern oder die Küken zu fressen.

Sperber und Habicht kommen als Zuggäste im Winter vor und können Einfluss auf Rebhuhnketten im Winter haben, wenn Gehölzbestände ihnen einen deckungsreichen Anflug bieten oder keine geeignete Winterdeckung für Rebhühner vorhanden ist. Zahlreiche Rupfungen von Fasanen und Ringeltauben im Winter bestätigen die Anwesenheit zumindest des Habichts im Untersuchungsgebiet. Sollte der Sperber auch als Brutvogel im Untersuchungsgebiet vorkommen, kann er in der Brutzeit beim Rebhuhnküken zu hohen Verlusten kommen. Bei Untersuchungen bestand der Nahrungsanteil von Jungsperbern im Horst bei 50 % von Rebhuhnküken und lediglich 20 % Singvögeln (Spittler 1995). Zu diesem Zeitpunkt war aber noch mit einer deutlich höheren Rebhuhndichte als heute zu rechnen.

Der Einfluss des Wanderfalkens dürfte auch als gering einzustufen sein, da er nur mit einem Brutpaar am Rande des UGs vorkommt und bevorzugt seine Beute im Flug schlägt und Rebhühner sich nur im Ausnahmefall fliegend fortbewegen.

Vielfach rückt der Weißstorch als Prädator in die öffentliche Diskussion. Aufgrund der höchsten Populationsbestände in Hessen tritt er teilweise bei der landwirtschaftlichen Bearbeitung durch das plötzliche Massenvorkommen von Fressbarem wie Mäusen, Regenwürmern etc. in Massen auf. 100 und mehr Weißstörche können bei der landwirtschaftlichen Bearbeitung in Südhessen regelmäßig angetroffen werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass er bei der Getreideernte flüchtende Rebhuhnküken frisst. Er spielt jedoch als aktiver Nesträuber oder Fressfeinde von adulten Rebhühnern keine Rolle.

Durch die starke Zersiedlung kann es auch zu Einflüssen von Haus- und Hofkatzen kommen. Auch die Prädationsgefahr durch Wanderratten auf Gelege und Küken sollten bei Massenvorkommen der Art nicht unterschätzt werden.

Um das Prädationsrisiko abzusenken sind verschiedene Maßnahmentypen möglich. Einerseits ist es möglich die Dichte von Prädatoren, die dem Jagdrecht unterliegen aktiv abzusenken, anderseits Maßnahmen zu ergreifen um den Lebensraum für Prädatoren unattraktiv zu gestalten oder die Lage der Maßnahme so zu wählen, dass das Prädationsrisiko verringert wird bzw. Fluchthabitate für die Rebhühner vorhanden sind, welche ihnen Deckung vor ihren Fressfeinden bietet.